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15.02.2011

» Die S21-Showeinlage am Nordausgang und ihr unrühmliches Ende

AK Baumpaten: Rausgerupfte Bäume völlig unsachgemäß im Stadtgebiet verteilt

Das Grauen am Morgen.In der Nacht zum Freitag, den 11.2.2011, wurde die große Inszenierung einer Baumverpflanzung im Auftrag der Deutschen Bahn AG beendet. 16 Bäume wurden ausgerissen, gezerrt, gerupft, gesägt und als Schwerverletzte mit Polizeieskorten an geheime Standorte gebracht. Die Firma Zöller Arbor hatte einen schweren Maschinenschaden zu beklagen, so dass einige Bäume nur mit der kleinen Rundspatenmaschine herausgeholt werden konnten. Dafür waren aber die Bäume dann doch schon zu groß gewachsen. Außerdem wird sich die Bahn mit der Nichteinhaltung von Luftreinhalteauflagen befassen müssen. Nachdem bekannt wurde, dass doch die richtigen Bäume gerodet wurden und nur der Verpflanzungsplan falsch gezeichnet war (wie bei der S21- Kostenkalkulation, die in DM statt EUR zu lesen ist), geht es nun um – das Ende der Show bzw. der Bäume.

Wie bei der Juchtenkäferaufzuchtstation sollten die neuen Standorte der Bäume geheim gehalten werden. Aufmerksamen Bürgern ist es nun gelungen, diese Geheimhaltung aufzuheben. Experten haben die Restbäume besucht und begutachtet: Hier von Verpflanzung zu sprechen wäre gleichbedeutend damit, einen Umzug „fachgerecht“ mit dem Sperrmüllwagen durchzuführen.

Die Standorte im Stadtgebiet

Ballenabriss bei 40 cm Distanz zum Stamm.Fünf Kastanien wurden in einer Reihe als Randbegrenzung eines Bolzplatzes in Stammheim eingepflanzt, direkt gegenüber der Justizvollzugsanstalt. Auf dem Friedhof in Zuffenhausen finden sich der verstümmelte Götterbaum, zwei Kastanien und die zwei Platanen vom Rand zur Schillerstraße. Das größere Exemplar, mit 150cm Umfang und ehemals 14 Metern Höhe, steht an der Ausfahrt des Materialplatzes zum gegenüberliegenden Kompostwerk. Die Projektbetreiber gaben an, dass sechs Bäume in Zuffenhausen gepflanzt wurden … Am Cannstatter Wasen wurden weitere fünf Bäume in den Boden gerammt. Drei Platanen, eine Kastanie und der sehr prachtvolle Eisenholzbaum fristen ihr Dasein nun auf Verkehrsinseln.

UPDATE 15.2.2011: Der 16. Baum, eine Kastanie, wurde inzwischen ebenfalls am Wasen gefunden. Es würde auch verwundern, wenn der Bahn eine Planung gelingt ...

Das Rätsel der Show

Handelt es sich um ein Urnengrab für das bestgeplante Projekt aller Zeiten?Es fehlte also bisher eine Kastanie. Noch erstaunlicher ist aber, dass sich neben der Oberen Feierhalle in Zuffenhausen eine Pflanzgrube befindet, ausgehoben von der kleineren Rundspatenmaschine, jedoch ohne Baum. Hier soll wohl kaum eine riesige Urne versenkt werden und das Ausheben von Grabstellen gehörte auch nicht zum Auftrag der Firma Zöller Arbor. Finden die Fachkräfte in der Nacht ihre Pflanzlöcher nicht mehr?

War also doch das Versetzen eines 17. Baumes vorgesehen, weil der Verpflanzungsplan falsch gezeichnet war? Kommen wir durch solche "Missverständnisse" auch zum 9./10. Gleis und einer weiteren Tunnelröhre für Stuttgart 21? Oder handelt es sich um ein Urnengrab für das bestgeplante Projekt aller Zeiten?

Die fachliche Bewertung

Ohne hier Einzelfälle oder Ausnahmen aufzuzählen: Eine fachgerechte Pflanzung von Bäumen ist nicht erkennbar. Umgekehrt wurden die Bäume aber auch nicht provisorisch in einem Einschlag gelagert, sondern bereits an ihren endgültigen Standorten aufgestellt.

Kein Baum wurde in eine fachgerecht vorbereitete Pflanzgrube gesetzt. Die Bäume und ihre Restwurzeln ragen bis zu 40cm aus dem Boden heraus, weil die Gruben viel zu eng und zu flach sind. Die Bäume wurden nicht eingeschlämmt. Der umschließende Boden wurde nicht aufgefüllt, es finden sich breite Löcher von bis zu 60 cm Tiefe, in denen die lebenswichtigen restlichen Feinwurzeln vertrocknen. Eine Ausrichtung zur Himmelsrichtung des ursprünglichen Standortes war des Nachts wohl auch nicht möglich.

Die schweren Beschädigungen der Wurzelballen sind überall deutlich zu erkennen. Eine Rundspatenmaschine kann zwar runde Löcher ausheben, aber wenn dort ein lange Zeit verwachsener Baum in städtischen Pflanzbeeten steht, bleiben von den 300cm Durchmesser bestenfalls 200cm zusammengepresster Kompost. Zum Teil wurde der Ballenradius auf 40cm reduziert, einen Bereich, in dem sich dicke Wurzeln befinden, deren unbehandelte Schnitt-/Rissstellen nun dem Pilzbefall ausgesetzt sind.

Das sehr empfindliche Feinwurzelsystem trocknet vor sich hin.Ein fachgerechter Kronenschnitt ist nirgends erfolgt. Wenn an den Kronen herum geschnitten wurde, dann nur, damit beim Transport keine Beschädigungen der Umgebung passieren. Die Schnittstellen sind nicht glatt, sondern größtenteils gebrochen. Die erforderliche Anpassung der Kronen an die total reduzierten Wurzelballen wird es erforderlich machen, auch größte Äste zu entfernen. Es werden also Stammstummel übrig bleiben, die bestenfalls noch durch neue Wurzelausläufer begleitet werden.

Die Höhe der Bäume und die geringe Tiefe der Löcher von 120 cm machen Seilverankerungen gegen Windwurf erforderlich. Allerdings ist in den meisten Fällen an den gewählten Standorten überhaupt kein Platz dafür.

Verpflanzung von Bäumen

Wenn man es richtig machen will, brauchen große, eingewachsene Bäume, die nicht in einer Baumschule regelmäßig umgepflanzt werden, ein bis zwei Vegetationsperioden der Vorbereitung. Der beabsichtigte Ballen wird dann vorgestochen, so dass sich neue Feinwurzeln im künftigen Ballen bilden können. Die Krone eines solchen Baumes, in dessen Traufbereich der größte Teil des Feinwurzelsystems liegt, wird auf den Bereich des neuen Ballens eingekürzt. Diese Maßnahmen verlieren ihren Sinn, wenn der Baum bereits so alt ist, dass ein Rückschnitt auf einen transportierbaren Ballen nur noch einen Stamm und wenige Starkäste übrig ließe. Dann wären die Schnittwunden in der Krone zu groß – diese sollten nicht größer als 10 cm im Durchmesser sein - und könnten nicht verheilen.

Nach dem Ausgraben ist dringend dafür zu sorgen, dass die Feinwurzeln nicht austrocknen, zur Not werden die Bäume zunächst in einen Graben gesetzt, der mit Boden überworfen wird (Einschlag).

Am neuen Standort ist eine Pflanzgrube der doppelten Ballengröße erforderlich. Der Boden und die Seitenwände der Pflanzgrube dürfen nicht durch Maschinen verdichtet sein, es darf niemals zu Staunässe in der Pflanzgrube kommen. Der Pflanzgrubenboden muss daher aufgelockert und mit durchlässigem Substrat gefüllt werden. Steht der Baum in der Pflanzgrube, am besten in gleicher Himmelsrichtung wie zuvor, werden die Seiten mit lockerem Substrat gefüllt und eingeschlämmt, damit keine Hohlräume entstehen. Zur besseren Durchlüftung und späteren Bewässerung kann ein Drainagerohr um den Baum verlegt werden.

Der Rückschnitt der Krone ist notwendig, um das verkleinerte Wurzelvolumen auszugleichen und so die Verdunstung zu reduzieren. Trotzdem muss auch der Stamm durch einen Wind- , Frost- und Sonnenschutz gegen Verdunstung geschützt werden. Die gekürzte Krone ermöglicht eine angemessene Statik des Baumes. Zusätzlich muss der Baum durch Holzkonstruktionen, bei hohen Bäumen auch durch Spannseile, gegen Windbewegungen gesichert werden, damit nicht die neuen Feinwurzeln im Randbereich wieder abgerissen werden.

Fazit

Zerstörter Ballen einer einst 14 Meter hohen Platane.Die große Show und ihr schmähliches Ende machen uns allen deutlich, dass die angeblich beste Verpflanzungsfirma Eurotree Zöller Arbor am Auftrag der Projektbetreiber von S21 gescheitert ist. Die Bäume werden, auch bei aufwändigsten Nachsorgemaßnahmen und Korrekturen, kaum eine Chance haben, den Sommer zu überleben. Viele Bäume werden bereits in diesem Frühjahr absterben. Man fragt sich also, wofür wurden hier 200.000 Euro ausgegeben, zumal dringend erforderliche Rettungsversuche weiteres Geld verschlingen werden?

Wie ernsthaft waren die Beteuerungen, dass hier Bestes veranstaltet wurde? Eines wurde uns allen aber deutlich demonstriert: Die Bäume im Schlossgarten sind nicht verpflanzbar! Herr Geißler hat eine Forderung aufgestellt, die von den Projektbetreibern nachweislich nicht zu erfüllen ist. Das Projekt Stuttgart 21 wird den Schlossgarten und seine Bäume vernichten – wie das geht, kann sich jeder vor Ort anschauen.

Wir kämpfen weiter für einen modernisierten Kopfbahnhof 21 und den Erhalt des Schlossgartens!

UNSER PARK – UNSERE BÄUME – UNSER BAHNHOF - OBEN BLEIBEN

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Fachliche Mitarbeit von Dipl.-Ing. der Landespflege Jochen Schwarz, Dipl.-Ing. der Landespflege Renate Koppen; Fotos von Alex Schäfer.