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04.08.2011

» "Frieden in Stuttgart" nur mit "Frieden für den Schlossgarten!"

Arbeitskreis Baumpaten zum Ende des Faktenchecks

Mit der Diskussion über die Ergebnisse des Audits der Firma SMA endete am 29.7.2011 der Schlichtungsprozess von Heiner Geißler. Zum Ende der ersten Runde im November 2010 verkündete Herr Geißler eine Stellungnahme, den Schlichterspruch, mit für notwendig erachteten Forderungen unter dem Namen S21-Plus. Unter dem Titel "Frieden für Stuttgart" hinterließ er nun ein Konzept, das wir im Folgenden als S21-Minus bezeichnen und einer genaueren Betrachtung unterziehen.

Selbst im Landtagswahlkampf wurde mit dem Motto "Ja zum Schlichterspruch" geworben. S21-Plus wurde von der Bahn anerkannt. In der Folgezeit war von der Umsetzung der von Herrn Geißler für unabdingbar erklärten Forderungen jedoch nichts zu hören. In der Abschlusssitzung der letzten Woche gingen diese Themen im inszenierten Theaterdonner unter.

Für den Schlossgarten war gefordert, dass die Parkbäume erhalten werden, dass sie ggf. umgepflanzt werden müssen. Wir wissen alle, dass eine Umpflanzung der Jahrhunderte alten Bäume nicht möglich ist. In S21-Minus wurde dieses Thema einfach fallen gelassen. Damit ist klar, dass S21-Plus nur ein Wahlkampfmanöver zur Rettung der CDU war.

Was aber bedeutet S21-Minus für den Schlossgarten?

Antwort: genau das Gleiche, wie S21. Es soll immer noch ein quer zur Geologie liegender Sargbahnhof gebaut werden – mit weniger Bahnsteigen, die dafür etwas breiter sind. Die Breite des Bauwerks insgesamt soll um ca. 37% bzw. 30 Meter verringert sein.

Wer sich aber die beigefügte Montage aus dem Konzept anschaut, wird leicht feststellen, dass hier wieder getrickst wurde, dargestellt wird nämlich eine Verringerung von 50%.

Lassen wir uns nichts vormachen! Der Bahnhofstrog erfordert den Aufschluss einer deutlich größeren Baugrube. Das Grundwasser muss ebenfalls erheblich abgepumpt werden – auch diese Risiken bleiben bestehen (s.a. Geologie21). Ein noch tieferes Vergraben des Bauwerks, um evtl. den Südflügel zu erhalten, wie es als Bonbon im Konjunktiv in Geißlers Konzept eingearbeitet wurde, scheitert an den Deckschichten des Mineralwassers. Ein tieferes Vergraben hätte auch ein massiveres Abpumpen des Grundwassers zur Folge, wodurch die entstehenden Trichter im Grundwasserspiegel noch vergrößert werden. Bleibt aber die Bauhöhe im alten Maß, wird auch die Überwallung erforderlich, die weitere Flächen in der Breite beansprucht.

In Bezug auf unseren Schlossgarten und die Bäume macht es keinen großen Unterschied, wenn man sie wegen des schmaleren Bauwerks nicht fällen muss, sie aber dafür vertrocknen. Im Übrigen ist nicht zu erwarten, dass irgendwelche Bäume entlang der Baugrube stehen bleiben könnten. Die Logistik derartiger Großbaustellen benötigt freie Flächen.

Der Aufbau des Technikgebäudes für das GWM wurde mit der illegalen Fällung von 27 Bäumen am 1.10.2010 begonnen. Mit S21-Minus würde dieses Bauwerk nachträglich gerechtfertigt werden, also klassische "Befriedung" im Sinne Heiner Geißlers. Das Beispiel zeigt zudem, wie "großzügig" man Platz schafft.

Wohlweislich enthält sich das Konzept in der Gegenüberstellung der technischen Kenngrößen einer Abschätzung der Bauzeit. Diese dürfte auch bei einem schmaleren Bauwerk annähernd die gleiche sein. Ob die Verankerung durch Rammpfähle nicht sogar aufwändiger wird, weil dann ein leichteres Bauwerk dem unter Druck stehenden Mineralwasser aufliegt, werden die Ingenieure zu beantworten haben.

S21-Minus – eine fortgesetzte Täuschung

Bis heute wurde nicht nachgewiesen, dass Stuttgart21 und die Neubaustrecke überhaupt einen verkehrlichen Nutzen haben. Im Gegenteil, der Faktencheck hat bewiesen, dass der heutige Kopfbahnhof leistungsfähiger ist, als S21 jemals sein wird. Der heutige Kopfbahnhof kann zukünftigen verkehrlichen Anforderungen problemlos angepasst werden – daran scheitert jeder unterirdische Bahnhof, also auch S21-Minus. Und auch diese Variante ist nicht barrierefrei.

S21-Minus ist ebenfalls ein Konzept aus dem letzten Jahrhundert. Die damals behauptete Leistungsgrenze des bestehenden Kopfbahnhofes war eine Täuschung. Die immer noch behauptete Finanzierbarkeit und die darauf basierenden Nutzenanalysen basieren auf geschönten Berechnungen, denen eine Betrugsabsicht naheliegt.

Wenn überhaupt ein Fernbahnhof mit größerer Kapazität als der des heutigen notwendig sein sollte, was bisher nicht erwiesen ist, dann muss man auch Konzepte einbeziehen, die so einen Bahnhof außerhalb des Stadtzentrums vorsehen. Auch das wurde in den anfänglichen Erörterungen vorgelegt – und wie alles, was nicht zu einem Freiwerden der Gleisflächen führt, kategorisch ausgeklammert und verworfen. S21 ist, egal in welcher Variante, ein Immobilienprojekt der Stadt Stuttgart und der Bahn AG.

"Frieden in Stuttgart" nur mit Frieden für den Schlossgarten!

Eine Großbaustelle zur Errichtung eines Tiefbahnhofes wird die Erholungsfunktion und die ökologische Qualität des Schlossgartens auf Jahrzehnte hin zerstören. In obiger Abbildung heißt es euphemistisch "Neugestaltung des Schlossgartens nach der Bauzeit". Niemand von uns wird eine gleichwertige Qualität erleben können. Es werden schlichte Grünflächen mit ein paar Blumenbeeten und Sträuchern sein, denn mehr ist auf einem Betondeckel nicht möglich.

Wir werden uns nicht daran beteiligen, nun einzelne Bäume, die dem einen oder anderen Konzept zum Opfer fallen würden, gegeneinander aufzurechnen. Wonach sollte eine solche Quantifizierung auch erfolgen – Gesamtalter, Gesamtumfang, Holzmenge, Juchtenkäferhöhlen?

Dieser Schlossgarten im Zentrum Stuttgarts wurde bereits durch zahlreiche Einschnitte auf ein Maß beschränkt, das eine absolute Grenze darstellt. Wir fordern den Rückbau des illegal errichteten GWM-Geländes und ein Ende aller Planungen, die zu Lasten des Schlossgartens erfolgen. Nachhaltige und ökologische Verkehrsplanungen dürfen nicht am Grünen Tisch entstehen, sondern müssen sich in die Umwelt der Menschen einfügen. Der Schlossgarten und seine Bäume sind nicht ersetzbar, sie stehen für uns nicht zur Disposition.

Wir haben einen funktionierenden, leistungsstarken, komfortablen, schönen, zukunftsfähigen Hauptbahnhof und daneben einen wunderbaren Schlossgarten.

Oben Bleiben!

Für den AK Baumpaten
Dipl.-Ing. Landespflege Jochen Schwarz

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