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07.02.2012

» Artenschutz im Schlossgarten: Kefer-Zoo oder Flohzirkus

Das Artenschutzgutachten zur geplanten Rodung des Mittleren Schlossgartens erweist sich als sehr dürftig. Es wurden lediglich Beobachtungen zu Vogelvorkommen und zu Fledermäusen einbezogen. Zum Juchtenkäfer äußert man sich nicht.

Als Arbeitskreis Baumpaten sind wir zwar nicht die ausgewiesenen Experten zum Artenschutz. Aber einige Anmerkungen zu diesem aktuellen Gutachten erlauben wir uns trotzdem. Schließlich geht es um die Vernichtung des Mittleren Schlossgartens, für die mit diesem Gutachten alle Bedenken aus dem Weg geräumt worden sind.

Insbesondere schweigt sich dieses Gutachten zum Juchtenkäfer aus. Das ist erstaunlich, denn das EBA hatte am 30.9.2010 die Fällung von Bäumen befristet verboten, weil die Artenschutzproblematik bis dahin nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Am 5.10.2010 wurde dieses Verbot endgültig festgelegt. Am 26.1.2012 scheinen dem EBA die Verbotsgründe ausgeräumt und es wird eine Genehmigung zur Fällung der Bäume ausgesprochen. Basis dafür ist das hier besprochene Gutachten.

Also scheint immer noch die Begutachtung der Population von Juchtenkäfern des Biologen Wurst vom August 2010 gültig zu sein. Herr Wurst hat, auf Basis der Angaben der Bahn zum Bauumfang, Bäume im Mittleren Schlossgarten untersucht und ist in einigen Fällen auf Juchtenkäfer gestoßen.

Den Inhalt dieses Gutachtens haben wir in einer Karte visualisiert.

 Karte zum Gutachten Juchtenkäfer

Die Baumnummern sind in diesem Fall die Katasternummern der Wilhelma, wie sie im Gutachten von Herrn Wurst verwendet werden. Markiert sind die untersuchten Bäume und diejenigen, in denen Juchtenkäfer vorgefunden wurden. Herr Wurst geht sehr konservativ von Aktionsradien der Käfer von 80 und 160 Meter aus. Die Fachliteratur hingegen sieht Radien von bis zu 500 Meter als möglich an. Diese kleineren Radien haben wir in die Karte übernommen. Zusätzlich die Schutzzonen von 20 Meter, die nach Meinung des Gutachters angelegt werden müssen. Ebenfalls eingetragen sind die von uns zusätzlich vorgefundenen Höhlenbäume und die am 1.10.2010 illegal gefällte Platane, in der Juchtenkäfer nachgewiesen worden sind.

Es wird sehr deutlich, dass die Platane am Parkzugang ein potentieller Habitatbaum ist, weil sie zwischen den nachgewiesenen Fundorten innerhalb der Aktivitätsradien steht. Das Alter und die Dimension des Baumes Platane am Zugang zum Schlossgartensprechen ebenfalls dafür. Dieser Baum soll für eine Baustraße gefällt werden (siehe Baumaßnahmen).

Der Kefer-Zoo

Diese Baustraße führt dann auch direkt zwischen dem Trogbauwerk und dem angeblichen Schutzbereich für die Juchtenkäfer entlang. Auf unserer Karte wird deutlich, dass die von Herrn Wurst verlangte Pufferzone von 20 Meter um die Habitatbäume nicht eingehalten werden kann.

Die Bäume in diesem angeblichen Schutzbereich sollen mit einem 180cm hohen, geschlossenen Bauzaun abgesperrt werden. Dieser Kefer-Zoo kann allerdings nicht als Zone des Artenschutzes angesehen werden. Neben der Nähe zur Baustraße und zum Trogbauwerk ist die geplante Absenkung des Grundwasserspiegels zu berücksichtigen. Die geringe Distanz zur trocken gelegten Baugrube wird die Bäume sehr schnell vertrocken lassen. Dass der Nesenbachdüker ebenfalls durch dieses Gebiet geführt werden muss, findet nirgendwo seinen Niederschlag.

Fällung folgt später

Das angeführte Gutachten sieht einen temporären Schutz von zwei Bäumen vor, in denen Fledermäuse nachgewiesen wurden. Dieser Schutz endet nach diesem Gutachten im Oktober 2012, wenn es gelungen ist, die Fledermäuse auszusperren. Diese beiden Bäume befinden sich, wie alle Bäume des Kefer-Zoos, auf der Baumfällliste der Bahn. Alle tragen gleichermaßen den Vermerk "zurückgestellt". Da es auf dieser Liste auch den Vermerk "Erhalt im MSG" gibt, ist die Sachlage eindeutig - Fällung dann, wenn kein Hahn mehr nach kräht.

Mit Artenschutz hat dieses gesamte Kapitel nichts zu tun. Es ist einmal mehr ein Beleg, wie über einen langen Zeitraum Versatzstücke aus unterschiedlichen Gutachten zu einem Persilschein zusammengebastelt werden, der einen ökologischen, den Gesamtzusammenhang berücksichtigenden, Fachbeitrag nicht liefert. Hier soll schnell zur Baumfällung gekommen werden, weil der übriggebliebene Rest dann umso leichter aus dem Weg geräumt werden kann.

Auftrag erfüllt - VGH besänftigt

Dieses Gutachten hat also seinen Zweck ganz offensichtlich erfüllt. Das EBA erteilte die Genehmigung, der VGH-Mannheim wies die Eilanträge des BUND gegen die Fällung zurück. Der gleiche 5. Senat übrigens der noch am 16.12.2011 in seinem Beschluss zum Baustopp (Seite 29) urteilte:

"[...] Denn jedes Planänderungsverfahren führt zwingend dazu, dass über die Zulässigkeit der zu ändernden Anlagenteile unter Zugrundelegung der aktuellen - und gegenüber den Jahren 2005/2006 möglicherweise geänderten - Sach- und Rechtslage entschieden werden muss. Die Durchführung des Verfahrens zur 5. Planänderung hatte deshalb zwangsläufig zur Folge, dass die zwischenzeitlich gewonnenen neueren Erkenntnisse zum Juchtenkäfervorkommen im mittleren Schlossgarten erstmals planungsrechtlich bewältigt werden müssen, [...]"

Das Thema Artenschutz erweist sich also immer mehr zum Flohzirkus, wo einige mit großen Worten viele Präsentationen aufbereiten, aber in der Sache nicht nachvollziehbar wird, wo denn nun genau die Arten in welcher Weise geschützt werden. Sind die Bäume weg, dann jedenfalls braucht niemand mehr über Artenschutz zu reden. Die für das geänderte GWM illegal gefällte Platane sollte allen Beteiligten und Verantwortlichen eine Mahnung sein - wenigstens das.

Jochen Schwarz, Dipl.-Ing. der Landespflege
AK Baumpaten